… oder auch nicht. Und zwar geht es um das eigene Werk in seiner Gesamtheit.
Die Frage ist, ob es besser/ehrlicher/interessanter/richtiger – sucht euch das richtige Wort dafür aus – ist, alles, was man publiziert hat, auf der eigenen Website aufzulisten, oder ob es, vor allem beim Frühwerk, auch okay ist, die alten Titel unter den Tisch fallen zu lassen.
Warum die Frage? Mir ist John Jakes aufgefallen. Ich bin beim sortieren von Büchern, die viele Jahre in Kisten verbracht haben und umgeordnet werden mussten – in anderen Kisten, hüstel, über ein paar Taschenbücher gestolpert. Siehe Foto.
Fünf Bände von “Brak, der Barbar” und eine weitere Fantasy. In den 1960er Jahren geschrieben, in den 1970er Jahren bei Pabel in der Reihe Terra Fantasy veröffentlicht. Leidlich unterhaltsame, ein wenig schlichte Fantasy (Conan mochte ich mehr, aber so genau erinnere ich mich nicht mehr an die Inhalte von Brak), bei der ich mir nie die Mühe gemacht habe rauszufinden, ob die Übersetzung akkurat ist oder, wie damals üblich, auf einen bestimmten Umfang getrimmt wurde.
Ist auch egal. John Jakes wurde viele Jahre später durch seine Romane “Fackeln im Sturm” berühmt – eine Trilogie historischer Romane über den amerikanischen Bürgerkrieg, der auch fürs Fernsehen als Serie verfilmt worden war – und zur Entstehungszeit eine Sensation, mit Patrick Swayze in der Hauptrolle. Meine Fresse, schon damals waren alle Frauen auf Swayze scharf. Das war, was man mal einen Straßenfeger nannte – jeder hockte daheim und guckte die Serie, 1987 im ZDF. Insgesamt 15 Folgen je 90min in 3 Staffeln. Also verdammt episch. Und für damals einzigartig.
Jedenfalls, dieser John Jakes, dieser Tage ein älterer Herr, hat – für einen 88jährigen nicht selbstverständlich – eine Website. Eine von denen, die mit der amerikanischen Flagge protzen. Gleich auf der Startseite wird er mit “the godfather of the historical novel” gelobpreist. Auch “Americas history teacher” steht in der Bio zu lesen. Also seeeeehr amerikanisch, das alles. Mitsamt den Fotos eine pure patriotische Inszenierung. Ufff.
So. Das, was mich bewegt, mag auch damit im Zusammenhang stehen. Denn in der Rubrik “Books” findet sich nicht ein einziger seiner frühen Schundromane. Selbst wenn man “Show All” aufruft, nur das patriotisch-historisch-amerikanische Werk wird aufgelistet. Einzig in der Biografie findet sich eine Erwähung seiner Anfänge im Pulp mit dem Hinweis, er hätte knapp 200 Erzählungen und 60 Romane in den Genres Mystery, Western und Science Fiction geschrieben. Keine Erwähnung der Fantasy, keine Nennung von Titeln, keine bibliografischen Angaben, schlicht nichts.
Da haben wir also einen Autor, der 260 seiner Werke, seien es kürzere oder längere Texte, nicht nennt. Das finde ich eine beeindruckende Menge an Titeln, die Jakes da quasi unterschlägt. Das ist bedeutend mehr, als die meisten Autoren überhaupt jemals publizieren.
Nun mag das Frühwerk nicht bedeutend sein, das ist es bei vielen Autoren nicht, aber schon rein bibliografisch ist es interessant – und wie an meinem Foto zu sehen ist, wurden manche dieser Werke sogar in andere Sprachen übersetzt. Also sooooo vernachlässigbar erscheint mir das dann irgendwie doch nicht. Der Mann hat damit gutes Geld verdient. Und das bringt mich eben zu der eingangs gestellten Frage. Keine Frage ist es, dass Jakes so wie jeder Autor für sich entscheiden kann, ob er Teile seines Werkes nennt oder nicht. Sieht man sich die Selbstdarstellung an, ist scheinbar klar, dass er diese Bücher unter den Tisch fallen lässt. Obwohl das irgendwie wieder dem Amerikanismus widerspricht, kommt mir vor.
Aber ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll, also nein, ich weiß es schon, nämlich nichts. Er könnte sie auf eine eigene Seite stellen, als reine Titelliste mit Jahreszahl auflisten. Warum nicht, denn das kratzt doch nicht an der aktuellen Selbstdarstellung. Jakes ist einfach die Generation Autor, die ihre ersten Arbeiten bei den Pulps veröffentlicht hat. Irgendwie macht ihn dieses Verschweigen für mich unsympathisch. Gut, die Inszenierung von John Jakes ist an sich schon sehr unsympathisch (wie die von Dean Koontz, so nebenbei und gehässig angemerkt), doch dieses Vorgehen macht ihn noch mehr unsympathisch.
Die frühen Werke sind sein Grundstein, die Basis, auf der er sich als Verfasser historischer Ziegelsteine inszeniert hat. Diesen Abschnitt seines Schaffens so zu verleugnen, keine Ahnung. Ich kann hergehen, das Werk zurückziehen, umschreiben, neu veröffentlichen, vernichten, was auch immer. Aber ich habe es geschrieben, habe damit Geld verdient und darauf eine Karriere aufgebaut. Die Werke so zu totzuschweigen finde ich nicht okay.
Oder?
Der Beitrag [SCHREIBWERKSTATT]: Grundsatzfrage … erschien am 18.12.2020 auf JohnAysa.net …